Die tanzende Frühlingsgöttin
Adi fährt mit seinem Vater zum ersten Mal auf den Alishan – ein Berg im zentraltaiwanischen Gebirgsmassiv. Mit der Waldbahn tuckern sie hinauf in diese beeindruckende Naturlandschaft. Adi trägt ein geheimnisvolles Säckchen seiner vor kurzem verstorbenen Großmutter bei sich. Darin befinden sich getrocknete Kirschblütenblätter. Die Oma hatte ihm erzählt, dass sich jedes Jahr zum Kirschblütenfest ihre guten Freunde, die Tiere, auf dem Berg Alishan unter einem Kirschbaum treffen, um singend und tanzend die Frühlingsgöttin aus ihrem Schlaf zu wecken. Doch dieses Jahr lässt der Frühling auf sich warten. Die Kirschblütenelfe, die die Frühlingsgöttin wecken soll, ist sehr krank und die Tiere des Waldes frieren und haben Hunger. Wird Adi ihnen helfen können und die silbern leuchtende Perle finden, die die Frühlingsgöttin erwecken kann?
Dieses wunderbare Kinderbuch aus dem tollen Drachenhaus Verlag, das zweisprachig auf Deutsch und auf Taiwanisch erschien, begeistert mich wieder einmal. Angefangen von dem eindrucksvollen Titelbild, welches bereits viel von der geheimnisvollen, tiefgründigen und etwas mystischen Stimmung des Bilderbuches verrät.
Die beiden Macher Shu-Nü Yen (Text) und Yu-Jan Chang (Illustrationen) schreiben im Nachwort, dass sie nach einem eindrucksvollen und magischen Besuch auf dem Alishan die Idee zu diesem Buch empfingen:
"Wir wollten die Geschichten der Menschen auf dem Alishan, der kleinen Bergbahn sowie die Kultur und die Mythen der Tsou in die Erzählung einfließen lassen. Als Hauptfigur wählten wir daher ein Kind aus dem Volk der Tsou, das in der Stadt aufwächst und mit seinem Vater auf den Alishan fährt. Dabei entdeckt es – stellvertretend für alle Angehörigen indigener Völker – seine verlorene Kultur wieder."
Der junge Adi sucht gemeinsam mit den Tieren des Waldes den Frühling, der symbolisch für das Leben steht. Die erkrankte Kirschblütenelfe kann als Ausdruck der aktuellen Probleme unserer Erde verstanden werden. Der Schwarzbär, der Adi beschützend begleitet, verweist auf die Tsou-Gottheit Hamo, die stets mit einem Bären dargestellt wird. Ein kleiner, brauner Vogel – der Grauwangen-Zweigdrossling – gesellt sich auf fast jeder Buchseite zu Adi und dem Bären. Die Tsou schreiben diesem Vogel wahrsagerische Fähigkeiten zu und sehen ihn als Richtungsweiser an.
In den opulenten, kunstvollen Illustrationen von Yu-Jan Chang finden sich sehr viele Hinweise auf die Mythen und Symbole der Tsou – einer indigenen Stammesgesellschaft aus dem südlichen Flachland Taiwans, die sich im Laufe des 20. Jahrhunderts in die Berge geflüchtet hat und deren Sprache von der UNESCO als "bedroht" eingestuft wurde.
Falls euch das Thema interessiert, habe ich hier ein kurzes Video gefunden, das einen ersten Eindruck der austronesischen Sprache der Tsou gibt:
Monika Li, die bereits das wirklich zauberhafte deutsch-taiwanische Bilderbuch "Das blaue Kleid" übersetzte, hat auch hier wieder ganze Arbeit geleistet. Ihre Übersetzung liest sich sehr stimmig, flüssig und kindgerecht.
"Die tanzende Frühlingsgöttin" (Anzeige)* ist ein weiterer Kinderbuchschatz mit Tiefgang aus dem Drachenhaus Verlag über die Beseeltheit der Natur, über die Wichtigkeit, sie zu bewahren und darüber, wie viel wir alle von indigenen Völkern lernen können, um uns wieder an ein Leben im Einklang mit der Natur zu erinnern. Ich empfehle euch das Buch von ganzem Herzen und danke dem Verlag für das Rezensionsexemplar!
Hier findet ihr alle meine weiteren Rezensionen zu den fabelhaften zweisprachigen Kinderbüchern aus dem Drachenhaus Verlag:
"Das blaue Kleid"
"Der Feuertopf brodelt"
"Der kleine Fuchs"
Alles Liebe und Frohe Ostern! 🐣
Angaben zum Buch:
Autorin: Shu-Nü Yen
Illustrator: Yu-Jan Chang
Originaltitel (taiwanisch): 春神跳舞的森林
Übersetzerin: Monika Li
Verlag: Drachenhaus Verlag
Seitenzahl: 44 Seiten
Erscheinungsdatum: 1. November 2022
Altersempfehlung: ab 4 Jahren
ISBN: 978-3943314175
Bildquelle: © Drachenhaus Verlag
2 Kommentare
Anna
Liebe Gabriele,
danke für deine wunderbare Buchempfehlung für Naturfans wie uns 😍 Vor allem die Zweisprachigkeit macht das Buch zu einem besonderen, egal ob man der Sprache mächtig ist oder nicht. Das verleiht dem Buch ein wenig Authentizität, wie ich finde ☺️
Liebe Grüße
Anna
Gabriele
Liebe Anna,
lieben Dank für Deinen Kommentar, in dem Du etwas sehr Wahres schreibst!
Ich wünsche Dir und Deiner Familie ein wundervolles Osterfest und sende Dir ganz liebe Grüße!
Bis bald wieder auf Instagram oder hier! 🙂
Gabriele